Am 19.09.2023 haben sich in Berlin einflussreiche Personen aus dem Dunstkreis der Gaskonzerne getroffen, um über ihre Geschäfte und ihre Zukunft zu konferieren. Beiträge mit Titeln wie “Gas neu denken”, “LNG als wichtige Komponente im deutschen Energiemix” und ”Deutschlands neue Gasversorgung – kein Grund zur Entwarnung” machen klar, dass hier nicht die wirkliche Dringlichkeit der Dekarbonisierung thematisiert wird. Und deswegen haben wir uns als Ziel gesetzt: dieses Treffen darf nicht unbemerkt und ungestört stattfinden. Wir müssen unsere Körper und Stimmen in den Raum drängen, um unserer Empörung und unseren Sorgen Ausdruck zu verleihen.
Das Narrativ auf der Konferenz ist klar: Das Geschäft mit fossilem Gas soll weiterhin so lange wie möglich blühen, ansonsten sind Wasserstoff und “neue Gase” die Zukunft. Neue Pipelines und Infrastruktur für Erdgas können trotz Klimagesetz und Klimakrise gebaut werden, weil ja später Wasserstoff durchfließen soll. Dass diese Umstellung noch nicht erprobt wurde, und dass Wasserstoff für normales Heizen laut Studien keinen Sinn macht, wird weitgehend ignoriert.
Und doch wissen wir: die einzige Art, eine bezahlbare, dekarbonisierte Wärmeversorgung zu schaffen, ist der Umbau auf Wärmepumpen, erneuerbare Fernwärme und massive Einsparungen durch Sanierungen. Die beste, demokratische Energieversorgung ist dezentral und in Bürgerhand.
Wir wissen auch: Das Festhalten an Erdgas und Wasserstoff aus fossilen Energieträgern und an großen zentralisierten Versorgungsmodellen dient vor allem dem Erhalt der obszönen Profite fossiler Konzerne. Und es hängen noch weitere umweltschädliche, schmutzige Geschäfte am Erdgas: ein großer Teil des importierten Gases fließt in die Plastikindustrie, und auch Dünger, die die Böden auf Dauer unfruchtbar machen, werden damit hergestellt.
Auch wollen alle neuen Projekte für den Import von Gas und auch Wasserstoff das koloniale Modell der Ausbeutung ärmerer Länder weiterführen: ein Beispiel dafür ist das Projekt für einen Mega Damm in der Demokratischen Republik Kongo, der “grünen” Wasserstoff für den Export nach Europa produzieren soll, während der Bau lokale Ökosysteme zerstört und nur 9% der Bevölkerung in diesem Land Zugang zu Elektrizität hat.
Aus all diesen Gründen haben wir uns mit We Smell Gas, das Weiter So! Kollektiv und XR Berlin zusammengetan, um diese Konferenz zu stören. Ein Ticket für den “Arbeitsteil” der Konferenz kostete 2000 Euro, deswegen entschieden wir uns dafür, bei der dazugehörigen Abendfeier präsent zu sein. Wir erfuhren, wo diese stattfinden sollte und überlegten lange, wie wir eindringen könnten. Schließlich konnten wir durch die Terrasse von dem Restaurant in der Nähe recht einfach in die Feier gelangen. Und dann passierte, was ihr auf diesem Video seht:
Es war ein gutes, aber auch seltsames Gefühl, in diese Hegemonie des Gruppendenkens reinzuplatzen und die Teilnehmer:innen mit der Realität ihrer Verdrängung und Skrupellosigkeit zu konfrontieren. Die Reaktionen waren divers: man hörte Gelächter, wir wurden sanft aber bestimmt aus der Feier entfernt, eine Kellnerin kam raus und wollte uns helfen, ein Mitarbeiter einer Messungsfirma für Erdgas folgte uns und fing ein langes Gespräch mit uns an.
Dieses Gespräch war auch ernüchternd: er wiederholte als Reaktion auf unsere Appelle und Sorgen die üblichen Plattitüden und Talking points, die die Industrie für den Klimaschutz hat. Sätze wie “Jaah, unsere Art zu wirtschaften ist leider nicht so gut für unsere Umwelt” ließen erahnen, wie wenig er um die Dimensionen der Klimakrise und ihre Dringlichkeit weiß. Auf unsere Frage, ob er sich denn Sorgen um die Zukunft in der Klimakrise macht, kam die erschütternde, aber erwartbare Antwort: nicht wirklich. Ich denke da nicht dran. Und, immerhin sehr reflektiert: es hängt ja auch stark vom eigenen Umfeld ab, über was man sich Gedanken macht.
Wie wahr, wir kämpfen gegen mächtige Gegner: die Gemütlichkeit in der Verdrängung, die Verarmungsängste der Reichen, die mächtige Öffentlichkeitsarbeit der fossilen Industrie. Und doch braucht es solche Unterbrechungen, wenn sich die Industrie und die Gas Lobby treffen, um ihre Erfolge auf Kosten aller anderen zu feiern. Und wir fühlen uns in der Verantwortung, solche Störungen zu realisieren, so oft wir können.